Liebe Lehrer,
wenn Sie an das Thema ADHS denken, fällt Ihnen vermutlich mindestens ein Schüler ein, den Sie mit diesem Begriff in Verbindung bringen. Und vielleicht geraten Sie in Ihrem schulischen Alltag durch die Problemverhaltensweisen, die diese Schüler mitbringen, manchmal an Ihre Grenzen. Um den daraus entstehenden alltäglichen Problemen im Schulalltag auf den Grund zu gehen und sie zu bewältigen, ist insbesondere das Verständnis für das Störungsbild der ADHS wichtig.
Die Symptome der ADHS zeigen sich im Rahmen der Schule mit Sicherheit nicht in jedem Kontext. Sie sind durchaus situationsabhängig und treten vor allem bei Aufgaben auf, die viel Routine und Wiederholungscharakter haben. Auch zeigen sich ADHS-Symptome vor allem dann, wenn Selbstständigkeit bei der Arbeit gefordert wird. Schüler mit ADHS sind häufig überfordert, wenn ihnen zu viele Freiräume gegeben werden, da sie ihre Aufmerksamkeit nicht zentrieren können und auch Schwierigkeiten in der Selbstorganisation und Strukturierung haben. Wird im Unterricht durch den Lehrer eine gewisse Struktur vorgegeben, kommen die Symptome häufig weniger zum Vorschein.
Weitere, umfassende Informationen zu Ursachen, Symptomatik und Verlauf der ADHS finden Sie in unter Allgemeine Infos zu ADHS.
Die Stabilität des Störungsbildes ist über das Grundschulalter sehr hoch. In den ersten Schulklassen können die Symptome, vor allem bei guten kognitiven Ressourcen, häufig noch recht gut kompensiert werden. Im weiteren Verlaufe kommt es jedoch häufig zu einer Reihe von Schwierigkeiten und Probleme.
Auch im Jugendalter ist die Stabilität der Störungen noch erheblich, es zeigt sich allerdings eine deutliche Veränderung in den Symptomen, insbesondere hinsichtlich der motorischen Hyperaktivität, die deutlich nachlässt. Die Impulsivität und die Aufmerksamkeitsstörung sind allerdings nach wie vor vorhanden, z.T. in abgeschwächter Form. Hinzu liegen weitere Probleme nun im delinquenten Verhalten, einem erhöhten Risiko für Substanzmissbrauch sowie einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Internet- und Computerspielsucht. Auch affektive Störungen treten in diesem Alter gehäuft auf (v.a. Depressionen; interpersonelle Beziehungsstörungen).
Das wohl häufigste Problem, das bei ADHS zusätzlich auftritt, sind oppositionelle und aggressive Verhaltensauffälligkeiten. Kinder mit oppositionellen Verhaltensauffälligkeiten können sich weniger gut als andere Kinder gleichen Alters an wichtige soziale Regeln halten. Sie geraten häufig in Streitigkeiten mit Eltern und anderen erwachsenen Bezugspersonen, aber auch mit Geschwistern oder anderen Kindern außerhalb der Familie. Sie werden schnell wütend, sie verärgern andere vorsätzlich und schieben die Schuld für eigene Fehler oder eigenes Fehlverhalten auf andere. Sie sind häufiger reizbar und reagieren schnell zornig. Oppositionelle und aggressive Verhaltensauffälligkeiten sind bis zu einem gewissen Grad Teil einer normalen Entwicklung. Allerdings gibt es Kinder, die diese Probleme wesentlich stärker zeigen als die meisten anderen Kinder des gleichen Alters. Typischerweise äußern sich die Probleme vor allem im Umgang mit vertrauten Erwachsenen, Geschwistern oder Gleichaltrigen.
Neben oppositionellen Verhaltensauffälligkeiten können auch noch andere Probleme auftreten, wie zum Beispiel Entwicklungsrückstände oder umschriebene Leistungsprobleme in der Schule. Denn obwohl sich die meisten Kinder mit ADHS nicht in ihrer grundlegenden Begabung von anderen Kindern unterscheiden, haben viele dieser Kinder schlechtere Leistungen beim Lesen, Rechtschreiben oder im Rechnen und müssen deshalb auch häufiger eine Klasse wiederholen.
Durch viele negative Erfahrungen und Rückmeldungen leiden viele dieser Kinder auch zunehmend an Unsicherheit und mangelndem Selbstvertrauen. Einige Kinder entwickeln mit der Zeit Ängste und trauen sich weniger zu als andere, da sie häufig Ablehnung von anderen Menschen erfahren – von Gleichaltrigen, von Eltern, von Erziehern und Lehrkräften. Diese Schwierigkeiten fallen häufig zunächst weniger auf, weil die anderen Probleme mehr ins Auge springen.
Ein weiteres Problem kann die Ablehnung durch Gleichaltrige sein, mit der viele Kinder mit ADHS zu kämpfen haben. Die Kinder können abgelehnt werden, entweder, weil sie aufgrund ihrer Unruhe und Impulsivität ständig beim Spiel stören, oder, weil sie wegen ihrer aggressiven Verhaltensweisen als Störenfriede empfunden werden. Viele Kinder mit diesen Verhaltensproblemen versuchen, andere zu dominieren und zu kontrollieren, was ebenfalls die Ablehnung durch Gleichaltrige hervorrufen kann. Auch die Beziehungen zu Erwachsenen sind häufig belastet. Ähnlich wie Eltern haben auch Lehrkräfte häufig Auseinandersetzungen mit ihrem Schüler/ihrer Schülerin, sind oft regelrecht verzweifelt und haben das Gefühl, den Schüler/die Schülerin überhaupt nicht mehr in den Griff zu bekommen. Für Lehrer/Lehrerinnen kommt erschwerend hinzu, dass sie sich gleichzeitig anderen Schülern/Schülerinnen der Klasse widmen müssen und dieser Aufgabe nur noch in Teilen gerecht werden können oder den „schwierigen” Schüler einfach nur noch ignorieren. Als Folge zweifeln Lehrkräfte häufig an ihren pädagogischen Fähigkeiten. Das Kind hat auf der anderen Seite das Gefühl, von den Lehrkräften nur noch Ablehnung zu erfahren und ihnen nichts recht machen zu können.
Zunächst gibt es eine Reihe von Therapien und Unterstützungsmöglichkeiten, die Eltern von Kindern mit ADHS helfen können, die Probleme in den Griff zu bekommen. Einige Methoden, die im Rahmen von therapeutischen Interventionen mit Eltern und Kindern erprobt sind, lassen sich auch auf den Kontext Schule übertragen und haben sich in vielen Studien bewährt.
Um die Kernprobleme von ADHS zu vermindern, sollten folgende Hilfsmittel in Betracht gezogen werden:
Die meisten Kinder mit ADHS haben in der Schule einerseits Verhaltensprobleme, verhalten sich also unkonzentriert, motorisch unruhig, impulsiv und oft auch oppositionell, und sie zeigen andererseits auch Leistungsprobleme. Wenn deutliche schulische Leistungsprobleme vorliegen, dann ist es wichtig, dass eine psychologische oder sonderpädagogische Diagnostik durchgeführt wird, in der die Intelligenz untersucht und überprüft wird, ob umschriebene Leistungsstörungen (z. B. in der Lese-/Rechtschreibleistung) vorliegen. Grundvoraussetzung für die Veränderung der schulischen Probleme ist eine der Intelligenz und der Leistungsfähigkeit des Kindes angemessene Beschulung. Wenn umschriebene Leistungsprobleme vorliegen, ist eine entsprechende Förderung sehr wichtig. Dies kann sowohl in speziellen Förderstunden als auch im regulären Unterricht geschehen. Bei der Veränderung der Verhaltensprobleme im Unterricht sind Sie besonders gefordert. Durch die Stärkung der Beziehung zum Kind, durch die Optimierung klarer Strukturen im Klassenzimmer, durch gezielte und unmittelbare positive Verstärkung, aber auch den Einsatz klarer Konsequenzen bei problematischem Verhalten können Lehrerinnen und Lehrer Kinder mit Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Selbststeuerungsdefiziten unterstützen und ihnen helfen, ihre Verhaltensprobleme zu begrenzen. Sie als Lehrkraft haben sicher oft eigene gute Ideen, doch manchmal ist es schwierig, diese im Schulalltag umzusetzen.
Weitere Informationen sowie Materialien zu Interventionsmöglichkeiten, Verstärkerplänen und Strukturierungshilfen finden Sie unter Hilfreiche Konzepte und Materialien.
Wenn ein Kind vielfältige Verhaltensauffälligkeiten zeigt, dann ist es ratsam, in der Familie etwas zu unternehmen und zu verändern. Sie als Lehrkraft können Eltern dabei unterstützen, indem Sie diese auf Probleme aufmerksam machen und die verschiedenen Hilfsangebote aufzeigen.
Unter den psychotherapeutischen Verfahren hat sich die Verhaltenstherapie bewährt. Unter dem Begriff der Verhaltenstherapie werden verschiedene psychologische Behandlungsformen zusammengefasst, die sich an die Familien, die Schulen oder die Kinder selbst richten können. Häufig werden diese verschiedenen Behandlungsformen miteinander kombiniert, um die Effekte der Therapie in den verschiedenen Lebensbereichen des Patienten zu optimieren.
Sofern Eltern aktuell keine weiteren Hilfen wie beispielsweise eine Beratung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum, Hilfen vom Jugendamt oder eine Psychotherapie für den Schüler in Anspruch nehmen, dies aus Ihrer Sicht jedoch sinnvoll erscheint, sollten Sie Eltern auf die Möglichkeit verschiedener Unterstützungsmaßnahmen aufmerksam machen. Neben dem Nachteilsausgleich (weitere Informationen unter Schulrechtlichen Rahmenbedingungen), gibt es weitere Maßnahmen, die eine Form der Unterstützung für Familien oder aber auch für Schüler mit ADHS darstellen können. Für anstehende Elterngespräche kann es hilfreich sein, über diese „externen Hilfen” informiert zu sein und auch die eine oder andere gesetzliche Grundlage zu kennen.
Zur Vorbereitung und Durchführung eines Elterngesprächs beachten Sie bitte auch unsere Empfehlungen unter Beratung und Kooperation mit den Eltern.