2. Die Klassenebene

Strukturierungsmaßnahmen für den Unterricht

Möglichkeiten, Veränderungen auf Klassenebene herzustellen, sind die Strukturierung der räumlichen Umgebung und der zeitlichen Abläufe. Insbesondere Schüler mit Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Selbststeuerungsproblemen benötigen eine möglichst ablenkungsfreie und übersichtliche Lernumgebung. Generell hilft dies jedoch allen Schülern, sich besser zurechtzufinden, und erleichtert Ihnen die Selbststeuerung.

Eine räumlich und zeitlich gut strukturierte Lernumgebung ist sinnvoll, weil …

  • sich alle Schüler dadurch besser im Raum zurechtfinden
  • die Schüler weniger Fragen stellen müssen
  • die Schüler wissen, in welcher Phase des Unterrichts sie sich befinden.

Sechs Grundlegende Strukturierungshilfen

Grundsätzlich ist es wichtig, dass das Klassenzimmer so eingerichtet ist, dass Sie die Schüler und Schülerinnen zu jeder Zeit gut im Blick haben, um unnötige Störungen vermeiden zu können. Ein wichtiger Punkt ist hierbei die Gestaltung der Sitzordnung der gesamten Klasse. So sollte die Anordnung der Tische der jeweiligen Unterrichtsform angepasst sein. Da sich U-Form oder Reihen besonders eignen, wenn die Klasse als Ganzes unterrichtet wird, diese Form der Anordnung jedoch für kooperative Lernphasen ungeeignet ist, schlagen wir Ihnen als Alternative die Sitzordnung auf der Abbildung vor. Diese hat den Vorteil, dass Sie sowohl „frontal” unterrichten als auch ohne größeren Aufwand Tische zu Gruppentischen zusammenschieben können. Eine Gruppenarbeit wäre aber auch über Eck möglich, ohne die Tische verschieben zu müssen.

  • Wählen Sie für Ihren Schüler eher einen festen Einzelsitzplatz statt eines Gruppentischs.
  • Treffen Sie mit Ihrem Schüler die Absprache, dass er in bestimmten Phasen (z. B. während der Stillarbeit) einen festgelegten Einzelplatz aufsucht.
  • Setzen Sie Ihren Schülermöglichst in Ihre Nähe (zum Monitoring und zur Vereinfachung der zeitnahen Verstärkung von positivem Verhalten).
  • Setzen Sie unauffällige Schüler mit Vorbildfunktion neben Schüler mit Problemverhalten (Modelllernen).
  • Wählen Sie für Ihren Schüler einen möglichst reizarmen Sitzplatz, d. h. nicht in der Nähe von Durchgängen oder ablenkenden Reizen (Bücherregalen, Postern etc.).
  • Nutzen Sie Ohrenstöpsel oder Kopfhörer zur Ausschaltung akustischer Störgeräusche in Stillarbeitsphasen.
  • Schalten Sie visuelle Störfaktoren in Stillarbeitsphasen aus, z. B. durch einen Arbeitsplatz mit Sichtschutz (der jedoch von der Lehrperson einsehbar ist) oder das Aufsetzen einer Schirmmütze.

Übergänge, wie z. B. Lehrpersonenwechsel oder Umgebungsänderungen (wie der Wechsel von Unterricht zu Pausen und vom Unterricht zum Offenen Ganztag), sowie neue Situationen oder Abweichungen von bekannten Alltagsroutinen stellen für Schüler mit Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Selbststeuerungsproblemen besondere Herausforderungen dar. Grund dafür ist das häufige Fehlen klarer Strukturen und Handlungsanleitungen in diesen Phasen, was dann schnell zu Überforderung führt. Diese zeigt sich nicht selten in unkontrollierten, oft regelüberschreitenden Verhaltensweisen, die von außen nur noch schwer gesteuert werden können. Eine vorausschauende Gestaltung von Übergängen und neuen Situationen erweist sich häufig als hilfreiche Maßnahme, um problematischen Verhaltensweisen betroffener Schüler vorzubeugen. Achten Sie hierbei auf folgende Punkte:

  • Kündigen Sie Abweichungen oder Wechsel von bestehenden Routinen an und erklären Sie diese (z. B. Änderung der Sitzordnung, Vertretungsstunden, Ausflüge); bieten Sie bei Bedarf auch Unterstützung, um Ängsten und verweigerndem Verhalten vorzubeugen.
  • Machen Sie Ihrem Schüler deutlich, welche Verhal- tensweisen in der neuen Situation von ihm/ihr erwartet werden.
  • Vereinbaren Sie Signale, welche den Schüler unmittelbar vor dem Übergang/der neuen Situation an das von ihm/ihr erwartete Verhalten erinnern (z. B. Gong schlagen, Hand auf die Schulter legen).
  • Bleiben Sie bei jüngeren Schülern in der Nähe, beobachten Sie sie, geben Sie ggf. körperliche Unterstützung (z. B. durch an die Hand nehmen).
  • Beziehen Sie Kollegen in Übergangssituationen, an denen mehrere Lehrpersonen beteiligt sind (z. B. Wechsel zum Fachunterricht), in Absprachen ein.
  • Geben Sie Ihrem Schüler in unterrichtsfreien Zeiten (z. B. Pausen) falls möglich klare Handlungsanweisungen.

Eine strukturierte Gestaltung von Arbeitsabläufen im Unterricht ist eine wichtige Voraussetzung auf Klassenebene, um Störungen vorzubeugen und insbesondere Schülern mit Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Selbststeuerungsproblemen optimale Bedingungen für die Aneignung von neuen Lerninhalten zu bieten. Die Schüler sollten wissen, was sie während des Schultages und in der aktuellen Unterrichtsstunde erwartet. Während des Unterrichts sollte ihnen klar sein, in welcher Arbeitsphase sie sich befinden und welche Aufgabe sie zu erledigen haben. Sie sollten wissen, was zu tun ist, wenn eine Aufgabe abgeschlossen ist, wenn sie Hilfe benötigen oder eine Frage haben. Beim Teamteaching sollte die Rollenverteilung zwischen den Lehrpersonen für die Klasse transparent sein und es sollte deutlich gemacht werden, wer aktuell für Anliegen und Fragen der Schüler zur Verfügung steht. Folgende Punkte können helfen, das Lernen im schulischen Alltag zu erleichtern:

  • Visualisieren Sie die Tagesstruktur und den Ablauf der Unterrichtsstunde mittels Piktogrammen etc. und besprechen Sie diese vorab mit der Klasse, sodass die Schüler wissen, was sie wann erwartet.
  • Nutzen Sie zur zeitlichen Strukturierung von Arbeitsphasen eine gut sichtbare Wanduhr, einen Time-Timer oder eine Sanduhr, sodass die Schüler wissen, wie lange an welcher Aufgabe gearbeitet wird.
  • Unterteilen Sie Arbeitsaufträge in Einzelschritte und visualisieren Sie diese (bildlich), sodass die Schüler wissen, was zu tun ist.

Insbesondere Schüler mit Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Selbststeuerungsproblemen haben häufig Schwierigkeiten, sich bei der Erledigung von Arbeitsaufträgen selbst zu strukturieren. Sie benötigen oft lange, bis sie mit einer Aufgabe beginnen, haben verglichen mit ihren Mitschülern ein geringeres Durchhaltevermögen und sind leicht ablenkbar. Daher schaffen sie es häufig nicht, einen Arbeitsauftrag in der dafür vorgesehenen Zeit zu Ende zu bringen. Durch eine zusätzliche individuelle Strukturierung von Arbeitsaufträgen kann die Lehrperson betroffene Schüler dabei unterstützen, effektiver zu arbeiten. Dies stellt aber auch für andere Schüler eine Hilfe dar. Sie können einzelne Schüler bei der Strukturierung von Arbeitsabläufen unterstützen, indem Sie Folgendes beachten:

  • Markieren Sie die zu bearbeitenden Aufgaben.
  • Vereinbaren Sie mit Ihrem Schüler, in welcher Zeit diese Aufgaben erledigt werden sollen.
  • Setzen Sie zur zeitlichen Strukturierung Eieruhr/Sanduhr/Timer ein.
  • Überprüfen Sie die erledigten Aufgaben. 

Kinder brauchen Regeln, denn sie geben Halt, Orientierung und Sicherheit. Diese Regeln sind bei Kinder mit ADHS besonders wichtig, denn es fällt ihnen schwer, sich selbst zu strukturieren. Regeln und Grenzen können allerdings auch einengen. So geht es bei Klassenregeln nicht darum, die Kinder in allen Situationen zu begrenzen und ihnen keine Entscheidungsfreiräume zu geben. 

Überdenken Sie einmal ihre Klassenregeln und überlegen Sie, warum die einzelnen Regeln wichtig sind (Warum halten Sie diese Regel für sinnvoll und nötig? Was würde Negatives passieren, wenn diese Regel nicht befolgt wird? Was wollen Sie durch die Regel erreichen?). 

Bei der Formulierung von Regeln haben sich folgende Punkte bewährt:

  • klare und eindeutige Formulierungen
  • Aufforderungscharakter
  • handlungsorientierte Formulierungen (Schüler müssen verstehen, was von ihnen erwartet wird)
  • nach Möglichkeit positive Formulierung (z.B. besser: "Wir räumen unsere Materialien am Ende der Stunde weg" anstatt "Wir lassen die Materialien nicht auf dem Tisch liegen")

Die Regeln sollten nur dann aufgestellt werden, wenn Sie bereit und in der Lage sind, auch auf deren Einhaltung zu bestehen. Ansonsten lernen die Schüler, diese nicht so ernst zu nehmen. Besprechen Sie dann die verschiedenen Regeln mit der Klasse und hören Sie sich auch die Einwände der Schüler an und können die Regeln bei Bedarf abändern. Übertragen Sie nach der gemeinsamen Besprechung die Regeln auf ein Blatt, das Sie an einer zentralen Stelle in der Klasse aufhängen. Schön ist es auch, wenn Sie das Blatt gemeinsam mit den Schülern gestalten und die Schüler unterschreiben lassen.